Grundsolide.

Suchen & finden im Immobilien-Hype

Seit Sommer 2021 war ich ernsthaft auf der Suche nach einer Immobilie – zum selbst bewohnen oder als Kapitalanlage – auf alle Fälle kein 0-8-15-Gebäude – stilvoll, attraktiv. Es sollte eine Herausforderung werden, ein Experimentierfeld, auf dem alles das umgesetzt werden sollte, womit ich arbeite – über das ich berichte: Photovoltaik, Wechselrichter, Stromspeicher, Wärmepumpe, Elektromobilität – ein Leben für die Energiewende, sollte ein Leben mit der Energiewende werden.

Das gelbe Haus

Im März 2022 fiel mir eine Anzeige auf einer der vielen Online-Immobilien-Plattformen auf – Villa in Arzberg zu verkaufen. Erbaut 1914 – laut Energieausweis – von einem Nähmaschinen- und Stoffhändler. Die alte Dame war bereits durch mehrere Hände gegangen und hatte eine Privatinsolvenz hinter sich.

Arzberg – wo ist das?

Die Location der Immobilie – am Ende der Welt – so dachte ich. Arzberg, kurz vor der tschechischen Grenze. Als Wiesbadener, der in Frankfurt, London, Hamburg und Cardiff gelebt hat und der im Westteil eines getrennten Deutschlands sozialisiert wurde, war das Zonenrandgebiet für Jahrzehnte das Ende der Welt. Da war Totentanz und Wegzug. Da kaufst Du nie, dachte ich mir auf meiner Tour.

Arzberg: Porzellanstadt mit Weltruf

Arzberg im Fichtelgebirge, die alte Porzellanstadt, 10 Auto-Minuten von der tschechischen Grenze entfernt, war für Jahrzehnte ein Teil vom Ende der Welt – Zonenrandgebiet, direkt vor dem eisernen Vorhang. Hier war nicht nur einer, sondern alle Hunde dieser Welt begraben – könnte man meinen. Wegzug entvölkerte ganze Landstriche. Dabei hatten Schuhmann und Hutschenreuther hier über 100 Jahre Porzellan von Weltruf hergestellt, haben das Stadtbild mit ihren Villen geprägt, sorgten für Arbeit, soziale Einrichtungen und eine moderne Infrastruktur. Ende der 80er war Ende Gelände – der eiserne Vorhang verlief knapp 10 Kilometer östlich von Arzberg und verhinderte jedes Weiterkommen und Porzellan wurde in China zwar nicht besser – aber billiger produziert. Und weil keiner über Qualität, aber alle über den Preis sprechen, hat billiges Porzellan die Welt erobert – analog zu Textilien, Unterhaltungselektronik und Weißware.

Porzellan geht – frische Konzepte kommen

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es zuerst aufwärts mit den Porzellanfabriken – bis in die 70er Jahre. Dann kam der Anfang vom Ende – das bittere kam in den 90ern, als die letzte Porzellanfabrik für immer ihre Brennöfen abstellen musste.

Lebensqualität in Oberfranken

Neue Konzepte wurden für leerstehenden Fabriken gesucht. Konnersreuth, Arzberg und Selb gründeten eine gemeinsame Gesellschaft, zur Umnutzung und Revitalisierung der alten Betriebsgelände. Heute ziehen immer mehr Unternehmen in die Gegend. Es gibt wieder Beschäftigung – der Wegzug ist gestoppt. „Viele, die vor Jahren nach München gezogen sind, kommen wieder zurück“, erfahre ich von einem Gast im kleinen Kaffee, direkt an der Arzberger Hauptstraße gelegen. Die Münchner Ellbogengesellschaft, das „Geldige“, bringt Weggezogene zurück in die Heimat – und Menschen, die der Großstadt überdrüssig sind nach Oberfranken – zu mehr bodenständiger Lebensqualität.

Manfred Gorgus

Grundsolide.

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